Die serbische Geschichte war geprägt durch die geographische Lage des Landes zwischen Orient und Okzident. Serbien erlangte als erste osmanische Provinz auf dem Balkans im 19. Jh. staatliche Unabhängigkeit. Das Land spielte eine zentrale Rolle bei der Gründung des 1. und des 2. Jugoslawien und hatte eine Schlüsselrolle inne beim kriegerischen Zerfall Jugoslawiens.
Tag der Unabhängigkeit 5. Juni 2006
Staatsoberhaupt Aleksandar Vučić
Regierungschef Ana Brnabić
Politisches System parlamentarische Demokratie
Demokratie Status- Index (BTI) Rang 36 (von 137 – 2020)
Korruptionsindex (CPI) Rang 91 (von 180 – 2019)
Mittelalter, osmanische Herrschaft
Serbiens mittelalterliche Geschichte war geprägt von der Errichtung eines serbischen Königreichs und dem späteren Fall unter osmanische Herrschaft, die bis in das 19. Jahrhundert andauern sollte. Im 6.Jahrhundert siedelten sich slawischer Völker, aus dem Norden kommend, auf dem Gebiet des heutigen Serbien an, das damals zu Byzanz, dem oströmischen Reich gehörte. Die serbischen Osmanische Provinz Serbien Herrscher Stefan Nemanja und Stefan II. errichten zwischen 1184 und 1216 im Südbalkan ein serbisches Fürstentum und lösten sich von Byzanz, 1217 wurde es ein Königreich. Eine eigene serbisch orthodoxe Kirche entstand. Das Königreich Serbien expandierte im 14. Jh. auf das Gebiet des späteren Kosovo, beeindruckende Klöster und Kirchen wurden im byzantinischen Stil (Gračanica, Dečani, Peć) errichtet und das Reich erlebte seine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Das Zentrum des Reichs lag im heutigen Kosovo. König Stefan IX. Dušan vergrößerte das Reich um Makedonien und Thessalien und nahm 1346 den Zarentitel an.
Nach der Niederlage der Serben gegen die Osmanen (Türken) in der Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo polje) im Jahr 1389 zerfiel das großserbische Reich. Die genauen Details der militärischen Auseinandersetzung sind bis heute unklar. Ungeachtet dessen wird dieses Ereignis im 19. Jh. zum Gründungsmythos des serbischen Nationalismus, welcher später im Vorlauf zu den Balkankriegen der 1990er Jahre seine Wiederbelebung erfahren sollte. Nach weiteren Schlachten wird Serbien 1459 Provinz des Osmanischen Reiches. Mitte des 16. Jahrhunderts steht der gesamte Balkan bis hinein nach Mittelungarn unter Osmanischer Herrschaft.
Das osmanische Gesellschaftssystem war erstens geprägt von einer Tradition des multireligiösen Nebeneinanders, das durch die Institutionen des Millet-Systems gesichert ist. Es garantiert nicht muslimischen Gemeinden Autonomie und ermöglicht so die Bewahrung der serbischen Kultur und orthodoxen Religion, der volkstümlichen Erzählungen über das serbische Königreich, welche später die Basis nationaler Geschichtsschreibung werden. 1557 kommt es zur Wiedererrichtung des autokephalen serbisch orthodoxen Patriarchats von Peć, das zum Zentrum der serbischen Orthodoxie aufsteigt. Im 16. Und 17. Jahrhundert kommt es zur allmählichen Islamisierung vor allem der städtischen Bevölkerung – die meisten Serben halten am orthodoxen Christentum fest.
Zweitens prägte die osmanische Herrschaft ein im Vergleich zu Westeuropa wesentlich „milderes“ Feudalsystem mit Pachtrechten für die bäuerlichen Kmeten und relativ niedrigeren Abgabenlasten. Seine Krise führt ab dem 18. Jh. zu einer Modernisierungsblockade und zu Bauernaufständen der serbischen, ländlichen Bevölkerung. 1689/90 dringen Habsburger Truppen zeitweilig bis in das Kosovo vor, albanische und serbische Aufständische schließen sich ihnen an. Nach der militärischen Niederlage flüchten sie mit den österreichischen Truppen, was die stattfindende serbische Migration aus dem Gebiet des Kosovo ins heutige Kernserbien beschleunigt. In der mythisch-nationalen Geschichtsschreibung wird dieses Ereignis später als Große Wanderung (seobe) bekannt. Es kommt zu weiteren Habsburger Vorstoßen im 17. Und 18. Jh. und zur vorübergehenden Einnahme von Belgrad.
Serbischer Staat und 1. Jugoslawien
Im 19. Jahrhundert erlangte das serbische Volk als erstes der südslawischen Völker die (de facto) staatliche Unabhängigkeit und dominierte infolgedessen zu Beginn des 20. Jahrhunderts den ersten gemeinsamen Staat. Im Jahr 1812 führten mehrere Aufstände der bäuerlichen serbischen Bevölkerung unter dem Anführer Fürst Karađorđe und mit Unterstützung Russlands dazu, dass Sultan Mahmud II. der Provinz Serbien die Teil-Autonomie zugestand; 1830 folgte die formelle Selbstverwaltung unter Fürst Miloš Obrenović. In Rahmen der staatlichen Neuordnung des Balkanraumes erhält Serbien 1877/78 auf dem Berliner Kongress die staatliche Unabhängigkeit.
Fürst Obrenović erklärt das Land 1882 zum Königreich, er wird sein erster König – es beginnt eine Königsfolge der beiden Dynastien Obrenović und Karađorđevic, die bis zum Zweiten Weltkrieg andauern wird. In den Balkankriegen von 1912/13 erobern serbische und montenegrinische Truppen Kosovo, Mazedonien und Nordalbanien. Dabei kommt es historisch zu den ersten Formen von „ethnischen Säuberungen“. Am Kriegsende billigen die europäischen Großmächte ein zuvor ausgerufenes albanisches Fürstentum, allerdings ohne die Gebiete Kosovo und Mazedonien, wo die Hälfte aller Albaner leben.
Der erste serbische Staat der Moderne ist geprägt von eine breiten bäuerlichen Bevölkerung, der Dominanz des Staats durch eine entstehenden Militärbürokratie und eine noch dünnere Bildungsbürgerschicht. Seine Vertreter, etwa der Sprachreformer Vuk Karadžić, importieren die Idee der „Nation“ aus Westeuropa in den weitgehend vormodernen serbischen gesellschaftlichen Kontext. Dort nimmt der Nationalismus dominierend völkisch-reaktionäre Formen an, mit hegemonialen Tendenzen gegenüber anderen ethnischen Gruppen in der Region, zu denen sich Anfang des 20. Jhds. rassistische Untertöne gesellen. Staatsbürgerlich orientierte Nationskonzepte bleiben marginal. Erste Ansätze eine parlamentarischen Demokratie bleiben angesichts der mangelnden Zivilität schwach.
Am 28. Juni 1914 töten Mitglieder der serbischen Terrorgruppe „Schwarze Hand“ den österreichischen Kronprinz Franz Ferdinand im bosnischen Sarajevo bei einem Attentat, Österreich Ungarn erklärt Serbien den Krieg – der Beginn des Ersten Weltkriegs. Auf dem Kosovo zwingen 1915 österreichische Truppen das serbische Heer nach Süden ab und werden dabei von der albanischen Bevölkerung unterstützt; nach der Niederlage Habsburgs und der Rückkehr der Serben kommt es zu blutigen Racheakten an Albanern. Im sich abzeichnenden Zusammenbruch der
Donaumonarchie kommt es zu politischen Verhandlungen um einen Zusammenschluss der Südslawen; südslawisch-föderale und großserbische Staatskonzepte treffen aufeinander. 1918 wird das «Vereinigte Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen» (dazu gehören auch Bosnien Herzegowina und Mazedonien), das 1. Jugoslawien unter Führung der serbischen Dynastie ausgerufen.
Durch die serbische Hegemonie sind Konflikte zwischen Serben und Kroaten und zwischen den unterschiedlichen Konfessionen vorprogrammiert. Die Verabschiedung der zentralistischen „Vidovdan-Verfassung» 1921 verschärft den politisch den Staat dominierenden serbisch-kroatischen Verfassungskonflikt, der 1928 in der Erschießung des Führers der Kroatischen Bauernpartei Stjepan Radić im Parlament in Belgrad und der Spaltung der Volksvertretung eskaliert. Instabilität von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft sind bedingt durch das Erbe unterschiedlicher Feudalsysteme, von Rückständigkeit und konfligierenden Nationalismen, v.a. der Serben und Kroaten. Dieser Zustand wird auch nicht verbessert durch das Einschreiten des Königs Aleksandar Karađorđević, der 1929 die Verfassung suspendiert, den Staat mit Hilfe des Militärs in eine Königsdiktatur unter dem Namen «Königreich Jugoslawien» umwandelt und eine willkürliche Neugliederung des Landes in sog. Bannschaften (banovinas) vornimmt.
In der chronischen Schwäche von Staat und Politik stürzt die Regierung 1941 nach dem Beschluss des Beitritts zum Dreimächtepakt Deutschland, Italien und Japan. Der Staatsstreich in Belgrad führt zum Angriff der Achsenmächte auf Jugoslawien, das Land versinkt im Chaos des Zweiten Weltkriegs.
Jugoslawien wird durch Truppen der Achsenmächte aus Deutschland, Italien, Bulgarien und Ungarn besetzt. In Kroatien und Bosnien Herzegowina errichtet das Nazi-Regime den Quislingstaat NDH – Freier Staat Kroatien unter formaler Führung der extremistischen kroatischen Splittergruppe Ustascha.
In Serbien, das von deuschen und bulgarischen Truppen besetzt ist wird ein faschistisches Quislingregime unter Dimitrije Ljotić errichtet. Aus der Errichtung von Konzentrationslagern und der Verübung von Massenmord an Juden, Roma und Serben auf dem Gebiet des NDH entwickelt sich eine Spirale von Gewalt und Gegengewalt. Sie gestaltet sich als bewaffneter Konflikt zwischen kroatischen Ustascha, serbisch royalistischen Tschetniks und der zunehmend dominierenden Partisanenbewegung der kommunistischen jugoslawischen Partei unter ihrem Anführer Josip Broz Tito, sowie als Kampf der Partisanen und teils der Tschetniks gegen die Besatzungsmächte. Mit dem Rückzug der Wehrmacht 1944 und trotz des nachfolgenden Einmarsches der Roten Armee gelingt den jugoslawischen Kommunisten in Jugoslawien als einzige in Osteuropa die Machterlangung aus eigener Kraft, und nicht als Folge sowjetischer Besatzung. Unter Tito’s Führung wird das 2. Jugoslawien, die Föderative Volksrepublik Jugoslawien gegründet, die später umbenannt wird in Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (SFRJ); sie besteht aus den 6 Republiken Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Mazedonien. Tito wird später zum Präsidenten auf Lebenszeit gewählt werden. Es folgt die schnelle Verdrängung der alten bürgerlichen Parteien und die Errichtung eines Einparteienregimes nach stalinistischem Vorbild. Serbien bekommt, ebenfalls gemäß dem sowjetischen Vorbild zwei autonome Regionen Kosovo und Vojvodina als institutionelle Absicherung gegen die historisch existirenden Hegemoniebestrebungen im sozialistischen Vielvölkerstaat.
Über der Weigerung der jugoslawischen Kommunisten, sich wie im Rest Osteuropas zum sowjetischen Satellitenstaat degradieren zu lassen kommt es 1948 zum historischen Bruch Belgrads mit Stalin. Aus der Not internationaler Isolation beginnt das Regime den Weg in einen eigenen Sozialismus, der später als Arbeiterselbstverwaltungssozialismus betitelt wird. Ab 1950 beginnen Reformen hin zu betrieblicher Mitbestimmung der Arbeiter in den in „Gesellschaftseigentum“ übergehenden Staatsbetrieben. Die Kollektivierung der Landwirtschaft wird nach ersten bäuerlichen Widerständen aufgegeben und der private Landbesitz toleriert. Die in Belgrad zentralistisch konzentrierte Macht in Partei- und Staatsapparat wird sukzessive auf die Ebene der Republiken und autonomen Provinzen dezentralisiert. Jugoslawien und in ihm auch Serbien durchlebt in den 1960er Jahren eine liberale Phase in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien. Jugoslawien erfährt eine rasante Modernisierung von einer zunächst stak agrarisch-traditionell geprägten zu einer zunehmen modernen Industriegesellschaft. Beides zusammen ergibt den Yugoslav way of life.
Doch die Entwicklung eines alternativen Sozialismus bleibt relativ. Die Dezentralisierung der Macht in einer anfangs noch weitgehend agrarisch-ungebildeten Gesellschaft führt nicht zur propagierten Demokratisierung, sondern zur autoritären Machtkonzentration auf der parteistaatlichen Ebene der föderalen Einheiten, welche die zentrifugalen Kräfte in Jugoslawien stärken. Zugleich bleiben viele ökonomische Irrationalitäten der sowjetischen Planwirtschaft bestehen. Das Regime behilft sich durch pragmatische, „unsozialistische“ Lösungen wie die Öffnung zum kapitalistischen Westen, Westkredite und die Öffnung für am Ende 1 Millionen jugoslawischer Gastarbeiter nach Westeuropa (Deutschland, Österreich, Schweiz u.a.), deren familiäre Transferzahlungen das Land sozial stabilisieren, ohne dass die Strukturprobleme des jugoslawischen Sozialismus eine Lösung finden.
Ethnizität wird nach sowjetischem Vorbild in der sozialistischen Nationalitätenpolitik als Instrument zum Aufbau einer neuen Gesellschaft von oben instrumentalisiert und gefördert, durch den zunächst rein formalen föderalen Staatsaufbau und die Affirmation vormals marginalisierte ethnischer Gruppen zu gleichberechtigten Völkern wie der Mazedonier und der bosnischen Muslime. In der Entwicklung des liberaleren jugoslawischen Sozialismus jedoch wird ethnischer Nationalismus von den Republikführungen missbraucht zur Stärkung ihrer Macht, was in der Experimentierphase der 60er Jahre Jugoslawien an den Rand des Zusammenbruchs führt.
Nach dem Entstehen von der Zagreber Partei- und Staatsführung geförderten nationalen Protestbewegung in Kroatien, dem sog. kroatischen Frühling setzt Tito die liberalen Partei- und Staatsführungen in Kroatien und Serbien ab, zugleich wird 1974 in der letzten jugoslawischen Verfassung der Stand an Dezentralisierung der Macht und Kompetenzen aus den 60er Jahren festgeschrieben. Serbiens Stellung innerhalb Jugoslawien ist geprägt davon, dass die Republik aufgrund der spezifischen institutionellen Konstruktion als einziges direkt mit der Idee Jugoslawiens identifiziert bleibt, während sich gleichzeitig –außer in der kurzen Phase unter der liberalen Partei-und Staatsführung- keine Affirmation der Republikstaatlichkeit entwickelt.
Kosovo, indem nach Unterdrückung der albanischen Mehrheitsbevölkerung 1966 eine Verschiebung der Machtdominanz von den Serben auf die Albaner stattfindet, durchlebt die zunehmende Stärkung seiner Eigenständigkeit, ohne dass diese institutionell, etwa durch einen Republikstatus, wie erstmals 1968 von albanischer Seite gefordert, aufgelöst wird.
1980 stirbt der Staats- und Parteichef Marschall Tito. 1981 brechen Unruhen auf dem Kosovo aus, wo politische Forderungen nach einem Republikstatus für die autonome serbische Provinz auf die Straßen getragen werden – der Beginn der offenen Systemkrise des sozialistischen Jugoslawien.
Ethnisierender Zerfall, Jugoslawienkriege
Mitten in der Erstarrung der sozialistischen Systems und fortschreitender Wirtschaftskrise Mitte der 1980er Jahre wird der junge, energische Pateivorsitzender der Hauptstadt Belgrad, Slobodan Milošević, 1987 zum neuen Vorsitzenden der serbischen Kommunisten gewählt, 2 Jahre später wird er auch Republikpräsident Serbiens. Es beginnt ein einzigartiger Machtaufstieg. Von Serbien aus versucht Milosevic durch populistische sozialistische und serbisch-nationalistische Massenmobilisierung nach der Macht in Jugoslawien zu greifen. Er affirmiert das 1986 vom Regime bekämpfte Memorandum der Serbischen Akademie der Wissenschaften (SANU) – ein Papier mehrerer Akademiemitglieder, das die komplizierte institutionelle Stellung der Republik Serbien in ein ethno nationalistische Programm umdeutet.
Mit organisierten „spontanen“ Massendemonstrationen stürzt Milosevic 1988/89 die Führungen von Montenegro, Vojvodina und Kosovo und erlangt so die Kontrolle über die Hälfte aller föderalen jugoslawischen Einheiten. Der Status der autonomen Provinzen wird aufgehoben. Im Kosovo führt dies zur gewaltsamen Eskalation und zur Errichtung eines zehnjährigen Apartheidregimes gegen die albanische Bevölkerung, die komplett aus dem öffentlichen Leben gedrängt wird. Zugleich schürt Milosevic damit aber den Konflikt mit den übrigen Republikführungen, v.a. in Slowenien und Kroatien. Im Januar 1990 endet der letzte Kongress der kommunistischen Partei, des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens mit dem Zerfall der (Einheits- )Partei – das faktische Ende des Titoistischen Nachkriegsjugoslawien.
1990 finden in allen Republiken die ersten Mehrparteienwahlen statt; in Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina kommen neue oder reformiert politische Kräfte an die Macht, während Serbien und Montenegro die sozialistische Partei ihre Macht festigen kann.
Über den Konflikt um die Reform des jugoslawischen Staates zwischen Belgrad und den nördlichen Republiken kommt es zum Bruch zwischen diesen. Slowenien und Kroatien erklären 1991 die staatliche Unabhängigkeit, während serbische politische Kräfte in Kroatien und Bosnien – gefördert durch Belgrad- eigene serbisch-ethnische Republiken auf Teilen des Gebiets dieser Republiken ausrufen, der Konflikt transformiert sich in einen Konflikt um die Auflösung Jugoslawiens – entlang der Grenzen der föderalen Einheiten oder entlang ethnische „Grenzen“.
Es beginnt der ethnisierende, gewaltförmige Zerfall Jugoslawiens. Dieser zieht sich durch 3 Kriege in der ersten Hälfte der 90er Jahre, den 10-Tagekrieg in Slowenien im Juni 1991, der Slowenien die Unabhängigkeit bringt und die serbisch-ethnische Transformation der jugoslawischen Armee befördert; den Kroatienkrieg, der im Juli ausbricht, Anfang 1992 mit einem UN-überwachten Waffenstillstand zum vorläufigen Ende kommt und dann nochmal 1993 und 94 kurz aufflackert; sowie dem Bosnienkrieg, der im April 92 beginnt, dreieinhalb Jahre dauert und dessen markanteste Ereignisse die Belagerung Sarajevos und der Genozid von Srebrenica sind. Besonders der Krieg in Bosnien erreicht die volle Ausprägung dieser ethnischen Eroberungskriege, welche geprägt sind von „ethnischer Säuberung“ und Massenkriegsverbrechen, von ethnischer Vertreibung und Lagern, in denen Vergewaltigungen, Folter und Morde stattfinden und in dem Paramilitärs und Kriminelle an der Seite von Militär und Polizei stehen.
Während das Milosevic-Regime eine zentrale Rolle in den Kriegen und der militärischen, logistischen und ökonomischen Unterstützung der serbischen para-staatlichen Gebilde in Kroatien und Bosnien und Herzegowina einnimmt, gründen Serbien und Montenegro im Mai 1992 die Bundesrepublik Jugoslawien, mit der sie den Anspruch auf die Rechtsnachfolge Jugoslawiens erheben und zugleich formal nicht mit den Kriegen in den Nachbarländer zu tun haben. Ideologisch führte die parallele Propagierung des sozialistischen, titoistischen Jugoslawiens wie eines aggressives serbischen (antikommunistischen) Nationalismus zu ideologischer Verwirrung in der serbischen Gesellschaft über Ursache und Wirkung von Staatszerfall und ethnischer Gewalt bzw. die Rolle der eigenen Gesellschaft darin – bei gleichzeitiger tiefgreifender Ethnisierung, die zu einer bis dato ungekannten Dominanz des Ethnischen in nahezu allen Bereichen der serbischen Gesellschaft führte.
Infolge eines UN-Embargos gegen Serbien führt Ende 1993 eine Hyperinflation das Land an den Rand des Kollapses und bewirkt den endgültigen Schwenk von Milošević weg von der Kriegspolitik. Ende 1995 handelt Milošević in Dayton, Ohio den Daytoner Friedensvertrag für Bosnien an Stelle der bosnisch-serbischen politischen Führung aus. Nachdem Belgrader Friedensbemühungen in Richtung kroatische Serben im gleichen Jahr gescheitert waren, hatte im August die kroatische Armee die serbisch kontrollierten Gebiete in Kroatien in der Militäraktion Sturm zurückerobert, in deren Rahmen es zur – von Zagreb begrüßten – kollektiven Flucht der dortigen serbischen Bevölkerung v.a. nach Serbien gekommen war.
Nach dem Ende der internationalen Isolation Serbiens kam es 1996 zum Konflikt zwischen Regierung und Opposition, der das Milošević-Regime den Wahlsieg in mehreren Großstädten bei den Kommunalwahlen verwehren wollte. Nach monatelangen Protesten und westlichem Druck lenkte Milosevic ein, der Parteivorsitzender der oppositionellen Demokratischen Partei (DS), Zoran Đinđic wurde Bürgermeister von Belgrad. Trotz Zerfall des Oppositionsbündnisses setzte sich die Krise des Regimes fort und Repressionen gegen kritische Medien, Akademiker, Intellektuelle und parteipolitische Opposition nahmen zu.
Der ungelöste Zustand auf dem Kosovo, das Apartheitsregime führte Ende der 1990er Jahre zu einem bewaffneten Aufstand unter der neu entstandenen Kosovo-Befreiungsarmee UCK, Gegenmaßnahmen von serbischer Polizei und Militär führten Ende 1998 zu geschätzten 180.000 vertriebenen Albanern innerhalb des Kosovo. Nach gescheiterten Friedensverhandlungen unter westlicher Vermittlung im Februar und März 1999 begann die Nato am 24.3.1999 den Kosovokrieg gegen Serbien. In einem dreistufigen Luftkrieg wurden zunächst militärische Anlagen angegriffen, später auch zivile Infrastruktur. Belgrad reagierte mit ethnischer Säuberungspolitik auf dem Kosovo, fast eine Millionen Albaner flüchteten bzw. wurden vertrieben nach Albanien und Mazedonien. Erst im Juni 1999 lenkte Milosevic ein, im Abkommen von Kumanovo wurde das Kosovo unter UN Protektorat gestellt.
Nach landesweiten Protesten der Jugendbewegung Otpor (Widerstand) und des Oppositionsbündnisses DOS und nach Sieg des Oppositionspolitikers Vojislav Koštunica bei den jugoslawischen Präsidentenwahlen gegen Milošević im September 2000, welcher vom Regime nicht anerkannt wurde, wurde das Milosevic-Regime am 5. Oktober 2000 in einer Massendemonstration in Belgrad gestürzt. Koštunica wurde der erste frei gewählte Präsident des Bundesstaates, Zoran Đinđic wurde nach Parlamentswahlen 2001 serbischer Ministerpräsident und ließ kurz darauf Milosevic verhaften und ausliefern an das UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag (ICTY). Im März 2003 wurde der Hoffnungsträger des demokratischen Serbien Zoran Đinđic in einem Attentat getötet, die Täter kamen aus dem Milieu der Geheimdienste und Paramilitärs des Milošević-Regimes.
Im Februar 2003 wurde der Staat in Serbien-Montenegro umbenannt, was zu einem dreijährigen Aufschub der Unabhängigkeitsbestrebungen Montenegros führte, das nach einem Referendum 2006 aus dem Staatenbund austrat. Im Juni desselben Jahres erklärte das Parlament in Belgrad die formale staatliche Unabhängigkeit Serbiens. Am 10. November 2006 nahm das Parlament nach vorherigen Referendum die erste nach-kommunistische Verfassung Serbiens an, die zugleich einen erfolglosen Versuch darstellte, die sich abzeichnende Ausrufung der Unabhängigkeit der ehemaligen serbischen Provinz Kosovo zu verhindern. Damit endete zugleich der Zerfallsprozess Jugoslawiens.
Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Die Autorin heisst Dr. Azra Dzajic-Weber, studierte und promovierte in Germanistik und Slawistik an der Georg-August-Universität Göttingen. Die GIZ und der Autorin ist informiert worden, dass die Infos auf meiner touristischen Länderseite zu Serbien veröffentliche.