Im Verhältnis zu Serbiens Nachbarn hatte der damalige Präsident Tadić ab 2010 mehrere Initiativen zu historischer Versöhnung unternommen, gegenüber Kroatien in Kooperation mit dem damaligen Präsidenten Ivo Josipović, aber auch in Bosnien. Dem gegenüber standen regelmäßige, fortgesetzte Spannungen, die sich aus Konflikten um die juristische Aufarbeitung der jüngsten Kriege sowie einer von der Belgrader Regierung seit 2010 betriebenen, verstärkte aktiven „Diaspora“-Politik gegenüber den Serben in den Nachbarländern.
Unter der Regierung Vučić ist es nach 2012 zu einer weiteren Verbesserung der regionalen Beziehungen gekommen. Insbesondere im Rahmen des 2014 von der deutschen Kanzlerin Merkel und dem albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama angestoßenen, sogenannten Berlin-Prozesses hat sich das Verhältnis zwischen den Regierungen der Region erheblich verbessert und sind verschiedene, von der EU unterstützte regionale Infrastrukturprojekte angestoßen worden. Außerdem wurde ein regionales Jugendwerk (RYCO) nach dem Vorbild des deutsch-französischen Jugendwerks begründet.
Zu Spannungen im Verhältnis zum Nachbarn Kroatien kam es im Herbst 2015 kurzzeitig im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise und erneut Anfang 2016, als die neue konservative kroatische Regierung vorübergehend die Eröffnung der Justizkapitel 23 und 24 des Beitrittsprozesses durch die EU blockierte. Diese Blockade konnte erst nach starkem politischem Druck andere EU Mitgliedsstaaten, darunter Deutschlands, überwunden werden. Im Sommer flammten erneut Spannungen auf, als kroatische und serbische Politiker in der angeheizten Atmosphäre im Vorfeld der Parlamentswahlen in Kroatien vom 11. September öffentlich nationalistische Anschuldigungen austauschten. Die Auseinandersetzungen führten auch zu einem Briefwechsel zwischen dem serbischen Premierminister Vučić und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Im Februar 2018 nährte der Staatsbesuch von Präsident Vučić in Zagreb Hoffnungen auf eine Entspannung im bilateralen Verhältnis. Das Treffen mit Präsidentin Grabar-Kitarović war die erste offizielle Begegnung zwischen den Staatsoberhäuptern Serbiens und Kroatiens. Das politische Tauwetter war allerdings von kurzer Dauer. Mitte April sorgte ein Vorfall im serbischen Parlament für neue Spannungen zwischen den Nachbarn. Vojislav Šešelj, serbischer Abgeordneter, Vorsitzender der extrem-nationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) und vom UN Kriegsverbrechertribunal wegen Verbrechen im Kroatienkrieg verurteilt, beleidigte im serbischen Parlament eine Delegation des kroatischen Parlaments rassistisch. Infolgedessen kam es zwischen den beiden Regierungen zunächst zur verbalen Eskalation, und dann zum Einreiseverbot für den serbischen Verteidigungsminister nach Kroatien, worauf die serbische Regierung mit der entsprechenden Gegenmaßnahme reagierte.
Zu Spannungen kam es im Herbst 2016 auch zwischen Serbien und Bosnien-Herzegowina, und zwar infolge eines in der mehrheitlich serbisch bewohnten bosnischen Entität, der Republika Srpska (RS) am 25. September organisiertes, vor Verfassungsgericht BuH als verfassungswidrig verbotenen, Referendums. Die serbische Regierung war von westlichen Partners gedrängt worden, den Initiator des Referendums, RS-Präsident Milorad Dodik zum Verzicht auf das Referendum zu bewegen. Vučić und Präsident Nikolić wählten bei einem Treffen mit führenden serbischen Politikern aus BuH allerdings einen Mittelweg um ihre nationalistische Partei- und Wählerbasis nicht zu verprellen: sie distanzierten sich von dem Referendum, vermieden es aber, sich dagegen auszusprechen. Das führte zu Spannungen und offenen Kriegsdrohungen zwischen bosniakischen Politikern aus Sarajevo und serbischen Regierungsvertretern.
Hatte Vučić als Premierminister Serbiens zunächst eine Politik gegenüber Bosnien-Herzegowina verfolgt, die sich durch ein relativ distanziertes Verhältnis zum Regime in der Republika Srpska und die Betonung auf gute bilaterale Beziehungen mit Bosnien und seinen staatlichen Institutionen deutlich von der seiner Vorgänger unterschied, hat der heutige serbische Präsident in den letzten Jahren wieder deutlich den nationalistischen Schulterschluss mit der RS gesucht. Infolge der Brüsseler Verhandlungen über ein umfassendes Abschlussabkommen zwischen Serbien und Kosovo und dem erfolglosen Bemühen von Präsident Vučić ab dem Sommer 2018, einen Gebietstausch zwischen den beiden Ländern durchzusetzen, und zusätzlich befeuert durch die Entscheidung der kosovarischen Regierung vom November, Strafzölle gegen Serbien und Bosnien-Herzegowina einzuführen, hat der serbische Präsident verstärkt den nationalistischen Schulterschluss mit Milorad Dodik, der im nach den Wahlen vom Oktober 2018 als serbisches Mitglied ins Staatspräsidium des Nachbarstaats Serbiens gewechselt hatte, gesucht.
Zu neuerlichen Spannungen führte Ende 2019 die Verabschiedung der neuen Verteidigungs- und nationalen Sicherheitsstrategie Serbiens. Darin wurde erstmals die Verteidigung der Republika Srpska in Bosnien-Herzegovina als nationale Verteidigungspriorität in einem staatlichen Dokument festgeschrieben. Zwar hielt die Strategie die Respektierung der territorialen Integrität und Souveränität des Nachbarstaates fest, insistierte aber zugleich darauf, dass Serbien ein „Garant“ der Daytoner Friedensvertrags von 1995 sei – eine bewusste politische Fehlinterpretation, die v.a. von bosniakischen Politikern kritisiert wurde.
Das bilaterale Verhältnis Serbiens zum Nachbarstaat Montenegro war seit dessen Loslösung vom gemeinsamen Staatenbund 2006 unter internen Spannungen im kleinen Westbalkanland, in dem sich eine Minderheit, die knapp die Hälfte der Bevölkerung ausmacht, als Serbien nicht als Montenegriner identifiziert und gen Belgrad schaut, traditionell nicht frei von Spannungen. Unter der Vučić-Regierung kam es nach offizieller Darstellung zu einer weitreichenden Normalisierung der politischen Beziehungen mit der montenegrinischen Regierung des Langzeit-Premiers Milo Đukanović. Das hat sich in den letzten Jahren allerdings wieder geändert. Für Irritationen in zwischenstaatlichen Verhältnis sorgte ein am Tag der montenegrinischen Parlamentswahlen am 16. Oktober 2016 aufgedeckter und verhinderter, angeblicher Staatsstreich. Als Beschuldigte wurden am Wahltag 20 serbische Staatsbürger verhaftet, darunter der ehemalige Leiter der Sonderpolizei Serbiens, der Gendarmerie, Bratislav Dikić. Hintergründe und Fundiertheit der Behauptung eines Putsches waren zunächst unklar, die bei den Wahlen unterlegene pro-serbische Opposition beschuldigte das Regime eines inszenierten Putsches mit dem Ziel der Manipulation der Wahlergebnisse.
Die montenegrinische Staatsanwaltschaft identifizierte zwei russische Staatsangehörige als Hauptverantwortliche und beschuldigte die russische Regierung, Drahtzieher des gescheiterten Putsches zu sein. Diese Version wurde von westlichen Geheimdiensten gestützt. Nach anfänglichen Spannungen schwenkten die serbischen Behörden um zu voller Kooperation.
Seit Anfang 2020 sorgt ein Konflikt zwischen der montenegrinischen Staat, der Regierung und der Serbisch-Orthodoxen Regierung für anhaltende Spannungen zwischen Serbien und Montenegro.
Anlass ist ein neues Religionsgesetz, das unter Widerstand der pro-serbischen Opposition am 6. Januar vom Parlament verabschiedet wurde. Zwar bescheinigen internationale Organisationen wie die Venedig-Kommission des Europarates den modernen Charakter des Gesetzes, es hat jedoch zum offenen Konflikt mit den Vertretern der Serbisch-orthodoxen Kirche in Montenegro geführt. Dabei geht es um eine Klausel, die die serbische Kirche in Montenegro zwingt, die Rechtmäßigkeit ihre Kirchenbesitztümer für die Zeit vor 1918, als das montenegrinische Königreich vom Königreich Jugoslawien annektiert wurde, und die autokephalen Montenegrinischen orthodoxen Kirche samt ihrer Gebäude zwangsweise in die Serbisch-orthodoxe Kirche aufging. Mit dem Gesetz dürfte die überwiegende Mehrzahl an Kirchen, Klöstern und anderen Gebäude an die Montenegrinisch orthodoxe Kirche, die 1993 mit Unterstützung des Regierung (wieder)gegründet wurde und die Rechtsnachfolge ihrer historischen Vorgängerin beansprucht, fallen, obwohl diese nur ca. 30% der orthodoxen Gläubigen im Land um sich versammelt.
Die Verabschiedung des Gesetzes hat zu massiven Protesten von Geistigen und den Anhängern der serbischen Kirche geführt, zu einem versuchten Angriff von Belgrader Fußballhooligans auf die Botschaft Montenegros in der serbischen Hauptstadt und dem versuchten gegenseitigen Austausch diplomatischer Protestnoten, die die Botschafter in den beiden Hauptstädten auf Anweisung ihrer Regierungen nicht entgegennahmen. Die Spannungen flammten Mitte Mai erneut auf, als die höchsten Würdenträger der Serbisch orthdoxen Kirche in Montenegro unter Verstoß der Corona-Auflagen in der Stadt Nikšić eine Ostermesse mit mehreren Tausend Gläubigen feierten. Die anschließende Verhaftung des Bischoffs von Nikšić und weiterer Priester führte zu gewaltsamen Protesten in mehreren montenegrinischen Städten.
Der Konflikt um das Religionsgesetz spielte auch eine prominente Rolle bei den montenegrinischen Parlamentswahlen vom 30. August 2020, bei denen das Đukanović-Regime erstmals nach 30 Jahren die Macht an ein diverses Oppositionsbündnis verlor. Obgleich sich Repräsentanten der serbischen Regierung wie Präsident Vučić mit intervenierenden Äußerungen im Wahlkampf zurück hielten, führte die Berichterstattung der regierungsnahen Medien in Serbien, welche sich klar auf Seiten der pro-serbischen Opposition positionierten zu erneuten Spannungen zwischen Podgorica und Belgrad.
Das Verhältnis zu Albanien war lange Zeit traditionell von Distanz geprägt – erstens aufgrund der Feindschaft der beiden sozialistischen Regime in Jugoslawien und Albanien, und ab den 1990er Jahren wegen der Unterdrückungspolitik Belgrads gegen die albanische Mehrheitsbevölkerung im Kosovo. Zu einer historischen Normalisierung ist es in jüngster Zeit gekommen.
Für den 22. Oktober 2014 war mit der geplanten Reise von Premierminister Edi Rama nach Belgrad der erste Staatsbesuch eines albanischen Regierungschefs seit 1946 vorgesehen. Am 15. Oktober kam es allerdings in Belgrad zu gewaltsamen Ausschreitungen während eines Länderspiels zwischen Serbien und Albanien. Der Flug einer großalbanischen Flagge an einer ferngesteuerten Drone über dem Stadion führte zu Rangeleien zwischen albanischen und serbischen Spielern und gewaltbereiten serbischen Hooligans. Dem Spielabbruch folgten tagelange erhitzte gegenseitige Anschuldigen und nationalistische Äußerungen höchster Regierungsvertreter aus Tirana und Belgrad und die Übereinkunft, den Staatsbesuch zu verschieben.
Der Staatsbesuch fand dann tatsächlich am 10. November 2014 statt und war insgesamt von der Beruhigung der Stimmung geprägt, doch blieb auch der Belgradaufenthalt nicht ohne „Skandal“. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Edi Rama mit seinem serbischen Kollegen Vučic forderte Rama Serbien zur Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo auf, was von Vučić und den serbischen Medien als Provokation kritisiert wurde. Präsident Nikolić verweigerte ein Treffen mit Rama. Zur weiteren Entspannung in den bilateralen Beziehungen trug der, ebenfalls historische, Gegenbesuch von Vučić am 27. Mai 2015 in der albanischen Hauptstadt Tirana bei.
Verhältnis zum Westen
Serbiens Verhältnis zu Deutschland ist ein Sonderverhältnis. Seit 2000 besteht eine starke Fixierung der deutschen Politik gegenüber dem Westlichen Balkan auf Serbien. Diese hat ihren Ursprung in der in Deutschland innenpolitisch umkämpften Beteiligung am Kosovokrieg gegen Serbien sowie in der aktiven Unterstützung der DOS-Opposition bei Regimewechsel am 5. Oktober 2000 durch Deutschland. Seit der deutschen Unterstützung für die Unabhängigkeit des Kosovo ist dieses Sonderverhältnis etwas abgeschwächt. Mit der politischen Initiative der Kanzlerin Merkel im Serbien Kosovo-Konflikt im Sommer 2011 ist Berlin allerdings zum wichtigsten Außen- bzw. europapolitischen Bezugspunkt für Serbien aufgestiegen.
Eine bedeutende Rolle in der Entwicklung des bilateralen Verhältnisses spielt Deutschlands Position als einer der wichtigsten Handelspartner Serbiens. Die herausgehobene außenpolitische Bedeutung Deutschlands für Serbien unterstrichen zwei Staatsbesuche von Premier Vučič in Berlin, die dieser unmittelbar nach Amtsantritt 2014 unternahm.
Zu den USA pflegt Serbien heute ein gutes Verhältnis, auch wenn dieses seit der Übernahme von Führungsverantwortung in der Kosovofrage durch Deutschland etwas hinter das zwischen Belgrad und Berlin zurückgetreten ist. Die USA stehen an erster Stelle der militärischen Zusammenarbeit aller westlichen Staaten mit Serbien.
Dritte Akteure
Serbien hat nach 2009 ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis zur Türkei entwickelt. Dieses geht zurück auf die „zero problems with the neighbours“-Politik des türkischen Außenministers Davutoglu und die Vermittlung der Türkei im Sandzak sowie im serbisch-bosnisch-herzegowinischen Verhältnis. Nachdem die intensiven politischen Bemühungen der Türkei im Westbalkan vom Beginn des aktuellen Jahrzehnts infolge türkischer innen- und außenpolitischer Verwerfungen nachgelassen hattten, versuchte Präsident Erdogan 2017 einen Neustart: am 8. Oktober 2017 machte er sich mit einer großen Delegation, welche acht Kabinettsmitglieder und fast zweihundert türkische Wirtschaftsvertreter umfasste, zu einem dreitägigen Staatsbesuch nach Serbien auf.
Im Rahmen der Reise verabschiedeten die Regierungen Serbiens und der Türkei verschiedene Wirtschaftsabkommen. U.a. bekam die Türkei den Zuschlag für den Bau einer Autobahn zwischen den Hauptstädten Serbiens und Bosnien-Herzegovinas, Belgrad und Sarajevo.
China gehört neben Russland zu den „traditionellen Partnern“ Serbiens, v.a. als Unterstützer des Westbalkanlandes im UN-Sicherheitsrat was die Ablehnung der völkerrechtlichen Anerkennung des Kosovos angeht. Am 16. Dezember 2014 fand in Belgrad das vierte Gipfeltreffen zwischen China und den Staaten Mittel- und Südosteuropas statt. Die Ministerpräsidenten von China und 16 europäischen Staaten sowie zahlreiche Wirtschaftsdelegationen nahmen an dem Treffen statt, in dem über mögliche Investitionsprojekte Chinas in Mittelost- und Südosteuropa diskutiert wurde. Thema war u.a. eine mögliche chinesische Investition in den Bau einer Autobahn von Belgrad nach Budapest. Politische Beobachter und Ökonomen waren sich allerdings uneinig darüber, ob China in der Region rein wirtschaftliche oder doch primär politische Ziele verfolgt bzw. ob es China primär um den Zugang zum EU-Markt geht und ob die Region einen wirklichen ökonomischen Nutzen von einer stärkeren chinesischen Präsenz haben wird.
EU-Integration
Am 21. Januar 2014 hat Serbien Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union aufgenommen – ein historischer Tag für das Balkanland. Vorausgegangen war eine entsprechende Entscheidung des Rates der EU im Dezember 2013. Die EU-Integration ist spätestens seit mehreren Jahren das alles überspannende Koordinatensystem serbischer Politik – nicht nur in der außenpolitischen Orientierung, sondern auch als Rahmen demokratischer und marktwirtschaftlicher Reformen. Serbiens EU-Integrationsprozess hat durch politische Instabilität im letzten Jahrzehnt eine Verzögerung gegenüber Nachbarstaaten wie etwa Kroatien erfahren. Erst unter der aktuellen Regierung ist Serbien auf einen Kurs beschleunigter Umsetzung der Reformbedingungen zur Erlangung wichtiger Schritte auf dem Weg EU-Mitgliedschaft eingeschwenkt.
Die Aufgaben die mit der Umsetzung der technischen Anforderungen der EU Integrationsprozesses verbunden sind lagen in Serbien in der Verantwortung einer extra für diese Funktion gegründeten Regierungsinstitution – dem Büro für EU-Integration. Seit dem Beginn der Beitrittsverhandlungen liegt diese Verantwortung nun bei einem eigenen Ministerium für Europäische Integration. Einerseits hat die Regierung wichtige Reformen in zentralen Bereichen wie Marktliberalisierung und Justizreform angestoßen, andererseits hat sie eine aktive Lobbyarbeit in Brüssel und den EU-Hauptstädten entwickelt. Fortschritte Serbiens im EU-Integrationsprozess blieben lange blockiert bzw. verlangsamt durch die mangelnde Kooperation des Landes mit dem UN Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag, insbesondere auf die Verhaftung der gesuchten Radovan Karadzic und Ratko Mladić.
Als wenige Tage nach der Bildung der amtierenden Regierung Karadzic im Juli 2008 in Belgrad verhaftet wurde, war der Weg frei für eine Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommend (SAA) mit der EU. Während das serbische Parlament das Abkommen im September desselben Jahres ratifizierte, blieb der Ratifizierungsprozess durch die 27 EU-Mitgliedsstaaten infolge unzureichender Bemühungen um die Verhaftung des weiter flüchtigen Ratko Mladić eingefroren. Weitere Reformforderungen der Europäischen Kommission blieben die Reform des Justizwesens sowie die Reform des Wahlrechts. Nachdem Mladić Mitte 2011 in Nordserbien verhaftet wurde fiel der letzte große Stolperstein für die Prüfung des Antrags auf Kandidatenstatus, den die serbische Regierung zuvor schon bei der Kommission eingereicht hatte.
Doch mit dem Ausbruch der Unruhen im Norden des Kosovo im Sommer 2011 und rückte schnell ein anderer Aspekt endgültig in das Zentrum von Serbiens EU Integrationsziel, der durch die innere Uneinigkeit der EU lange in den Hintergrund gedrängt war: mit der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo durch die Mehrzahl der EU-Staaten lässt sich Serbiens Wunsch auf Beitritt zur Union in letzter Konsequenz nur durch eine (zumindest) faktische Akzeptanz des Verlusts der ehemaligen Provinz realisieren lassen.
Durch den 2013 erzielten Durchbruch im Kosovokonflikt wurde der Weg frei für den zuvor blockierten EU-Integrationsprozess Serbiens, dem der Beginn der Beitrittsverhandlungen im Januar 2014 folgte. Im Frühjahr desselben Jahres begann der Screening-Prozess der 35 Kapitel der Beitrittsverhandlungen auf Grundlage eines zwischen den EU-Mitgliedsstaaten vereinbarten Framework Agreement. Eine Besonderheit und ein Novum stellt das Kapitel 35 dar, das sich auf die Frage des Kosovo bezieht. Über die Verhandlungen zu diesem Kapitel, welches über den gesamten Beitrittsprozess offen bleiben wird, soll die volle Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo und die faktische Ablösung Kosovos aus dem serbischen Staatsgebilde erzielt werden.
Im März 2015 wurde der Screening-Prozess aller Beitrittskapitel abgeschlossen. Die serbische Regierung hoffte und drängte bereits seit Herbst 2014 auf die baldige Eröffnung der ersten Kapitel.
Diese Hoffnung erfüllten sich allerdings zunächst nicht: Infolge der Neuwahlen in Serbien und dem Kosovo und der Regierungsbildungskrise in Prishtina 2014 war die Fortsetzung des politischen Dialogs bis Anfang 2015 faktisch blockiert. Damit fehlten die Bedingungen für die Eröffnung des Kosovo-Kapitels, Kapitel 35. Großbritannien und v.a. Deutschland aber hatten im Framework Agreement durchgesetzt, dass Kapitel 35 zu Beginn des Beitrittsprozesses eröffnet wird. Belgrad und andere EU-Mitgliedsstaaten konnten sich mit ihrer Forderung, die ersten Kapitel ohne das Kapitel 35 zu eröffnen, nicht durchsetzen.
Mit der Fortsetzung des Dialogs 2015 – einem Justizabkommen im Februar und einem Teilabkommen über den serbischen Gemeindeverband im August wurde der Weg für die Fortführung des Beitrittsprozesses freigemacht: Im Rahmen der zweiten Beitrittskonferenz zwischen EU und Serbien am 14. Dezember 2015 wurden die ersten beiden Kapitel, das Kosovo-Kapitel 35 und Kapitel 32 zu Finanzkontrolle eröffnet.
Im Frühjahr 2016 gerieten die Beitrittsverhandlungen der EU mit Serbien erneut ins Stocken: die neue konservative kroatische Regierung kündigte an, die Eröffnung zweier weiterer Kapitel, der sogenannten Justizkapitel 23 und 24 zu blockieren. Zagreb forderte Änderungen an einigen Gesetzen im Zusammenhang mit der juristischen Aufarbeitung serbischer Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ende Mai verkündete die kroatische Regierung eine Einigung mit Belgrad in der Angelegenheit und damit das Ende seiner Blockadehaltung. Die Eröffnung der zwei neuen Kapitel erfolgte mitte Juli 2016. Im Dezember desselben Jahres eröffnete Serbien zwei weitere Kapitel, Kapitel 5 über öffentliches Vergabewesen sowie Kapitel 25, Wissenschaft und Forschung. Letzteres wurde gleich wieder – vorläufig – geschlossen.
Mitte Januar 2017 haben die EU-Mitgliedsstaaten grünes Licht für die Eröffnung eines weiteren Verhandlungskapitels, Kapitel 26 über Kultur und Bildung gegeben. Am 27. Februar 2017 eröffnete die EU zwei neue Kapitel mit Serbien, neben Kapitel 26 zu Bildung und Kultur noch Kapitel 20 zu Unternehmens- und Industriepolitik. Kapitel 26 wurde gleich (vorläufig) geschlossen. Im Juni und Dezember 2017 erfolgte die Eröffnung von jeweils zwei weiteren Beitrittskapiteln – von Kapitel 7, Intellektuelles Eigentum, und 29, Zollunion, sowie von Kapitel 6, Unternehmensrecht, und Kapitel 30, externe Beziehungen. 2018 folgte die Eröffnung weiterer vier Kapitel: 13 (Fischerei), 33 (Finanzen und Haushalt), 17 (Wirtschafts- und Geldpolitik) und 18 (Statistik). 2019 wurden keine weiteren Kapitel eröffnet, was unter anderem auch mit der französischen Blockade des Erweiterungsprozesses, die sich an der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien festmachte und Anfang 2020 zur Verabschiedung einer neuen Methodologie für den Beitrittsprozess führte, zusammenhing.
Serbien scheiterte auch im Juni 2020 erneut, eine Entscheidung für die Eröffnung neuer Verhandlungskapitel durch die EU-Mitgliedsstaaten zu erreichen. Mehrere Mitgliedsstaaten blockierten die Eröffnung, v.a. wegen fehlender Fortschritte in der Rechtstaatlichkeit, d.i. Kapitel 23 und 24. Stattdessen kündigte Präsident Vučić auf einer vom französischen Präsidenten Macron im Juli in Paris organisierten Serbien-Kosovo-Konferenz an, dass Serbien den Beitritt zur neuen EU Methodologie akzeptiere (der für Beitrittskandidaten, die bereits Verhandlungen führten, freiwillig war).
Seit 2015 hat Serbien insgesamt 18 Beitrittskapitel mit der EU eröffnet; zwei davon wurden vorläufig geschlossen.
Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Die Autorin heisst Dr. Azra Dzajic-Weber, studierte und promovierte in Germanistik und Slawistik an der Georg-August-Universität Göttingen. Die GIZ und der Autorin ist informiert worden, dass die Infos auf meiner touristischen Länderseite zu Serbien veröffentliche.